In der Rechtssache T‑404/09 hat das Europäische Gericht die Klage der Deutsche Bahn AG gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 23. Juli 2009 (Sache R 379/2009‑1) abgewiesen und der Farbmarke der Deutsche Bahn AG die Unterscheidungskraft abgesprochen.
Am 6. März 2008 meldete die Klägerin, die Deutsche Bahn AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Farbzeichen:
In der Anmeldung beschrieb die Klägerin die Marke wie folgt:
„Die Farbe Lichtgrau (RAL 7035) ist über der Farbe Verkehrsrot (RAL 3020), diese wiederum über der Farbe Lichtgrau (RAL 7035) angeordnet; das Verhältnis der Farben beträgt von oben nach unten Lichtgrau; Verkehrsrot; Lichtgrau = 7 : 1 : 2.“
Die Marke wurde für die Dienstleistungen „Beförderung von Personen und Gütern mittels Schienenbahnen“ in Klasse 39 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.
Mit Entscheidung vom 30. Januar 2009 wies der Prüfer die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) zurück.
Am 29. März 2009 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde ein.
Mit Entscheidung vom 23. Juli 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass das angemeldete Zeichen für die beanspruchten Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sei. Die Beschwerdekammer führte im Wesentlichen aus, dass bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Farbmarken für Dienstleistungen keine anderen Kriterien zugrunde zu legen seien als bei der Beurteilung von Farbmarken für Waren. Die Wahl der Farben Lichtgrau und Verkehrsrot und ihre Zusammenstellung im angemeldeten Zeichen würden für die beanspruchten Dienstleistungen nicht als ungewöhnlich empfunden und hätten eine eher dekorativ‑werbende oder funktionale Bedeutung. Zudem hätte der Schutz der Anmeldemarke eine Monopolisierung einer im Sektor des Eisenbahnverkehrs gebräuchlichen Farbkombination für einen einzigen Marktteilnehmer zur Folge.
Das Gericht führte in seiner Entscheidung zur Unterscheidungskraft von Farbmarken aus:
Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind „Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen.
Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bedeutet, dass diese Marke geeignet ist, die Ware oder die Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 34, und Urteil des Gerichts vom 12. November 2008, GretagMacbeth/HABM [Kombination von 24 Farbkästchen], T‑400/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32).
Ferner ist zu beachten, dass Farben oder Farbzusammenstellungen, um eine Marke sein zu können, drei Voraussetzungen erfüllen müssen. Erstens müssen sie ein Zeichen sein. Zweitens muss sich dieses Zeichen grafisch darstellen lassen. Drittens muss dieses Zeichen geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. im Zusammenhang mit Art. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken [ABl. 1989, L 40, S. 1], der gleichlautend mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 ist, Urteile des Gerichtshofs vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, Slg. 2003, I‑3793, Randnr. 23, und vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, Slg. 2004, I‑6129, Randnr. 22; vgl. auch Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, Randnr. 33).
Für die Beurteilung der Frage, ob Farben oder Farbzusammenstellungen geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, ist zu prüfen, ob sie geeignet sind, eindeutige Informationen, insbesondere über die Herkunft einer Ware oder einer Dienstleistung, zu übermitteln (Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, Randnr. 34, vgl. auch entsprechend Urteil Heidelberger Bauchemie, Randnr. 37).
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Farben zwar bestimmte gedankliche Verbindungen vermitteln und Gefühle hervorrufen können, dass sie aber ihrer Natur nach kaum geeignet sind, eindeutige Informationen zu übermitteln. Sie sind dies umso weniger, als sie in der Werbung und bei der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen wegen ihrer Anziehungskraft gewöhnlich in großem Umfang ohne eindeutigen Inhalt verwendet werden (Urteile Heidelberger Bauchemie, Randnr. 38, und Kombination von 24 Farbkästchen, Randnr. 35).
Von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, kommt Farben nicht von vornherein Unterscheidungskraft zu, doch können sie diese in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie als Gemeinschaftsmarke angemeldet werden, eventuell infolge einer Benutzung erwerben (Urteil Heidelberger Bauchemie, Randnr. 39). So kann eine Farbe als solche für die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangen. Dagegen lässt sich im Fall einer Farbe als solcher eine Unterscheidungskraft vor jeder Benutzung nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellen, insbesondere wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (Urteile des Gerichtshofs Libertel, Randnr. 66, und vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM, C‑447/02 P, Slg. 2004, I‑10107, Randnr. 79; Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, Randnr. 36).
Zudem ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft, die eine bestimmte Farbe oder Farbzusammenstellung als Marke haben kann, dem Allgemeininteresse daran Rechnung zu tragen, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird (vgl. entsprechend Urteile Libertel, Randnr. 60, und Heidelberger Bauchemie, Randnr. 42).
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidungskraft eines Zeichens nur im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die es angemeldet worden ist, und im Hinblick auf seine Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise beurteilt werden kann (vgl. Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Anhand dieser Erwägungen ist der einzige von der Klägerin vorgetragene Klagegrund zu prüfen.
Vorab ist festzustellen, dass nach der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Farbmarke für Dienstleistungen keine anderen Kriterien zugrunde zu legen sind als im Fall von Farbmarken für Waren. Insbesondere ist nach der oben in Randnr. 16 angeführten Rechtsprechung die Beurteilung, ob angemeldete Marken für die Übermittlung eindeutiger Informationen, insbesondere über die Herkunft, geeignet sind, im Fall von Warenmarken ebenso geboten wie im Fall von Dienstleistungsmarken. Eine Unterscheidung zwischen Dienstleistungs- und Warenmarken ist im Übrigen in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht vorgesehen.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin steht der Umstand, dass Dienstleistungen ungegenständlich sind, der Heranziehung der gleichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nicht entgegen, soweit die Erbringung und die Vermarktung von Dienstleistungen die Benutzung gegenständlicher Mittel beinhalten, die notwendigerweise eine Farbe haben.
Ferner kann das vom Gericht in seinem Urteil vom 9. Oktober 2002, KWS Saat/HABM (Orangeton) (T‑173/00, Slg. 2002, II‑3843), erreichte Ergebnis, wonach eine Farbmarke für die in der Anmeldung angegebenen Dienstleistungen, nicht hingegen die Waren, eintragbar war, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als Aufstellung einer Regel interpretiert werden, der zufolge Farbmarken notwendigerweise Unterscheidungskraft haben, wenn sie Dienstleistungen kennzeichnen. In diesem Urteil stellte das Gericht nämlich klar, dass die angemeldete Marke für die erfassten Dienstleistungen unterscheidungskräftig war, weil insbesondere nicht dargetan worden war, dass die in Rede stehende Farbe als solche üblich war oder andere, direktere Funktionen erfüllte (vgl. Urteil Orangeton, Randnrn. 43 und 44).
Weiter geht aus der oben in Randnr. 19 angeführten Rechtsprechung hervor, dass hinsichtlich der Berücksichtigung der Notwendigkeit, die Verfügbarkeit der Farben für die konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmer nicht ungerechtfertigt zu beschränken, nicht zwischen Marken zu unterscheiden ist, die aus einer einzigen Farbe bestehen, und solchen, die aus Farbzusammenstellungen bestehen.
Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass sich die fraglichen Dienstleistungen sowohl an Gewerbetreibende als auch an das allgemeine Publikum richten, was im Übrigen von den Parteien nicht bestritten worden ist.
Das angemeldete Zeichen ist, da es sich um ein zusammengesetztes Zeichen handelt, für die Beurteilung seiner Unterscheidungskraft in seiner Gesamtheit zu betrachten. Dies steht jedoch einer vorherigen Prüfung der einzelnen Bestandteile, aus denen es sich zusammensetzt, nicht entgegen (vgl. Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was zum einen die Bestandteile des angemeldeten Zeichens angeht, ist festzustellen, dass die beiden Farben der angemeldeten Farbzusammenstellung keine für die maßgeblichen Verkehrskreise wahrnehmbare Abweichung von den Farben aufweisen, die üblicherweise für die beanspruchten Dienstleistungen verwendet werden.
Denn Lichtgrau wird, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, gewöhnlich für technische Einrichtungen verwendet, die für die Erbringung von Eisenbahntransportdienstleistungen notwendig sind, wie beispielsweise Teile von Lokomotiven und Schaltschränke an Bahnstrecken.
Verkehrsrot wird wiederum als Warnfarbe für Verkehrsschilder und als Farbe verwendet, die die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf Werbebotschaften lenken soll.
Somit setzt sich das angemeldete Zeichen aus einer Kombination von zwei Farben zusammen, die, einzeln betrachtet, keine Unterscheidungskraft haben.
Was zum anderen das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit angeht, so setzt es sich aus drei waagerechten Farbbändern zusammen, die aufeinander in den Proportionen folgen, die in der Anmeldung angegeben sind.
Wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, kann das Lichtgrau als ein schmutziges Weiß wahrgenommen werden. Die in Rede stehende Farbzusammenstellung kommt daher der Kombination von Weiß und Verkehrsrot nahe, die an Bahnschranken und an Verkehrszeichen des Eisenbahnverkehrs verwendet wird.
Zudem geht aus den Beweismitteln, die die Klägerin zu den Akten des HABM gereicht hat und die in Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben sind, hervor, dass entgegen ihrem Vorbringen in der Klageschrift die waagerechten Farbbänder gewöhnlich als Dekorationselemente an Zügen verwendet werden. Wie die Beschwerdekammer dargelegt hat, können rote Längsstreifen auch vor der Lücke zwischen einem Waggon und dem Bahnsteig warnen.
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit von den angesprochenen Verkehrskreisen als ein funktionales oder dekoratives Element und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Dienstleistungen betrachtet werden wird.
Im Übrigen hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die Eintragung des angemeldeten Zeichens der Klägerin ein Monopol an einer im Sektor des Eisenbahnverkehrs üblichen Farbkombination verschaffen würde.
Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft hat.
Keine ähnlichen Beiträge.